Kötzschen früher ein Bauerndorf – ein historischer Querschnitt

Kötzschen ist eine Slawensiedlung aus dem 8.Jahrhundert. Die Saale war damals die natürliche Grenze zwischen slawischer und fränkischer Bevölkerung. In der damaligen Zeit wurden die meisten slawischen Einflüsse jedoch verdrängt.

In den ersten Jahrhunderten war Kötzschen ein Bauerndorf wie viele in Merseburgs Umgebung. Die Bauern waren zu Frondiensten dem Stift Merseburg verpflichtet. Beschwerden beim Domkapitel waren vergeblich. Im Dorf gab es eine Kirche, ein Schulhaus, ein Backhaus, eine Windmühle und mehrere Schenken.

Vom 13. bis 17. Jahrhundert gab es im Ort auch eine freie Ritterfamilie. Sie nannten sich von Kötzschen oder von Kötzschener. Entsprechend der mittelalterlichen Ordnung waren sie adlige Untervasallen, die nur zu Amts- und Kriegsdienst gegenüber Merseburg verpflichtet waren. Ihr Wappenschild zeigt zwei mit den abgewendeten Bärten aufwärts gekehrte Schlüssel. Das Bild ist im Wappensaal des Merseburger Kapitelhauses als Wandmalerei zu sehen.

 Wo sich das Rittergut in Kötzschen befand, ist nicht mehr feststellbar. Vielleicht war der große Vierseitenbauernhof  auf dem Foto in der ehemaligen Dorfstraße um 1900 das ehemalige Rittergut?  Wir wissen es nicht.

In der Zeit des Bauernkrieges (1525) gab es in Merseburg und den umliegenden Dörfern Erhebungen gegen das Domkapitel. Inwieweit Bauern aus Kötzschen beteiligt waren, ist nicht bekannt.

In Merseburg und den umliegenden Dörfern wurde nach 1543 durch die Reformation der evangelische Glauben eingeführt und damit auch in dem nur 3 km entfernten Dorf Kötzschen.

Durch die Folgen des 30-jährigen Krieges (1618-1648) und zahlreiche Pestepidemien standen viele Häuser im Dorf leer. Erst ab 1680 nimmt die Bevölkerung wieder zu. Mehr als 30 Bauern schwören in diesem Jahr ihren Untertaneneid. Gemeinsam mit ihren Familien entspricht dies ungefähr 100 bis 120 Einwohnern im Dorf.

Aus dem Jahr 1701 gibt es von unserem Dorf in den Protokollbüchern des Domstiftarchivs handschriftliche Gemeindeartikel. Darin sind aus dieser Zeit sehr deutlich die Grundzüge des Verwaltungsrechts, der Gerichtsbarkeit, der Gemeindeordnung aber auch geforderte Verhaltensweisen für die Dorfbewohner dargestellt. (siehe Kötzschner Heimatbote Nr. 25).

In den Jahren  1710 bis 1723 wurde in Kötzschen für die damals unzureichende, alte Dorfkirche eine neue, schöne Barockkirche erbaut, wie wir sie  heute noch kennen.

Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) fand nur wenige Kilometer entfernt die Schlacht bei Rossbach statt. Die Kötzschner Bauern mussten die Verwundeten  nach Merseburg in die Spitäler transportieren. Die Höfe wurden von allen Kriegsparteien geplündert.

Als 1806 die preußische Armee von den Franzosen bei Jena und Auerstedt besiegt wurde, fanden bei Kötzschen auch Gefechte zwischen Preußen und Franzosen statt. Wie in jedem Krieg gab es in Kötzschen Zerstörung und Verluste.

Nach den Napoleonischen Kriegen wurde auf dem Wiener Kongress im Jahr 1815 das bisher zu Sachsen gehörende Merseburg mit einem Teil der umliegenden Orte, so auch Kötzschen, dem Königreich Preußen zugeordnet.

Mit den Steinschen Reformen von 1807 war in Preußen die Leibeigenschaft abgeschafft worden. Auch in Kötzschen gab es nun eine Vielzahl von kleinen und mittleren Bauern, die von Frondiensten frei waren. Auf einem Ortsplan um 1850 wurden 49 Grundstücke, davon 41 Bauernhöfe, in der Dorfstrasse angegeben. In Kötzschen gab es damals 282 Einwohner. Fast alle Einwohner waren in der Landwirtschaft tätig. Es gab keinen großen Gutshof, von dem mehr als 50 ha Land bewirtschaftet wurden.

Mit der Industrialisierung des Geiseltales um 1900 verringerten und verkleinerten sich die Bauernhöfe wieder. Die Bauern verkauften ihre Felder an den Braunkohlenbergbau und später an die Leuna-Werke. Es kam zur verstärkten Ansiedlung von Industriearbeitern entlang der Naumburger Strasse und deren Nebenstrassen. Im Jahre 1911 wurden schon 715 Einwohner gezählt. Noch gab es 37 Landwirte, die insgesamt 84 Pferde, 205 Rinder, 260 Schafe und 642 Schweine auf ihren Höfen hielten.

Aus dem Krieg 1870/71 waren einige „begeisterte Kriegshelden“ heimgekehrt. Auf dieser Grundlage wurde ein Militärverein in Kötzschen gegründet und mit „Hurra“ zog man in den 1.Weltkrieg 1914 .Die Gedenktafel für die Gefallenen, die Jahrzehnte in der Kirche hing, ist seit einigen Jahren verschwunden.

Bis 1927 veränderte sich das Dorf noch mehr. Von den 1.064 Einwohnern waren nur noch 26 Landwirte. Viele Einwohner waren jetzt Industriearbeiter, dazu 11  Handwerker, 4 Geschäftsinhaber und 2 Gastwirte. Die meisten Gebäude wurden als Einfamilienhäuser errichtet. Es gab nur wenige Mehrfamilienhäuser, die von privaten Bauherren, der Gemeinde oder der Industrie direkt gebaut wurden.

Der 2.Weltkrieg brachte noch größeres Leid über Kötzschen und seine Einwohner. Die gefallenen Soldaten lassen sich nicht mehr ermitteln. Durch die Nähe kriegswichtiger Betriebe in Leuna und dem Geiseltal wurde unser Dorf 1944 mehrfach von  den anglo-amerikanischen Flugzeugen bombardiert.  Mindestens 40 Bombentote aus dem Ort konnten wir gemeinsam mit älteren Einwohnern ermitteln. 30% aller Gebäude waren zerstört oder beschädigt. Am 14. April 1945 marschierten  in Kötzschen kampflos die Amerikaner ein. Der sinnlose Krieg war für unser Dorf unter großem Leid vorüber. Bereits Ende Juni verlassen die Amerikaner den Landkreis und die sowjetischen Streitkräfte übernehmen die Militärverwaltung. Schwere Notjahre folgen nun. Trotz Wohnraummangel werden auch noch 452 Umsiedler in dem Dorf untergebracht.

Nach 1945 wurden im Rahmen der Bodenreform Grundbesitzer über 100 ha Land und Kriegsverbrecher enteignet und die Felder an landarme Bauern oder Umsiedler verteilt. Die noch verbliebenen Kötzschner Bauern waren von Enteignung nicht betroffen. Allerdings erhielten 5 Kötzschner landarme Bauern bzw. Umsiedler Bodenreformland vom Rittergut in Niederbeuna (ehem. IG Farben).

Am 31.Juli 1950 erfolgte die Eingemeindung von Kötzschen zur Stadt Merseburg. Der Stadtteil heißt nun Merseburg Süd II.  Im Protokoll wurde festgestellt, dass in der Gemeinde etwa 2300 Einwohner davon 32 ablieferungspflichtige Bauern wohnen. Vorwiegend bestand die Bevölkerung aus Arbeitern des Chemiewerkes Leuna und der Grube Beuna. Die Größe der Gemeinde wurde mit 460 ha angegeben.

 Am 22. Juni 1958 schlossen sich in Kötzschen 12 Bauern mit 168 ha Acker zur LPG Typ I zusammen. Die LPG gab sich den Namen „Thomas Müntzer“. Noch im Jahr 1960 war Kötzschen mit 270 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche voll genossenschaftlich und die LPG in Kötzschen schloss sich der LPG in Frankleben an.

1978 wurden die Bereiche Ackerbau aus Frankleben, Mücheln und Braunsbedra zu einer Kooperation und späteren LPG Pflanzenproduktion zusammengefasst. Die Tierproduktion verblieb in Frankleben bis zur Wende. In der Wendezeit wurde der Ackerbau wieder in die LPG Frankleben eingegliedert. Mit Wirkung vom 1.12.1991 wurde die LPG Frankleben mit Sitz in Beuna aufgelöst.

Seit dem 1.Mai 1993 ist der Landwirtschaftsbetrieb  Böhm in Beuna ansässig. Dieser betreibt eine moderne Tierzuchtproduktionsanlage mit Aufzucht und Mast von Schweinen sowie Pflanzenanbau auf den verbliebenen Feldern. Er betreibt außerdem zwei Biogasanlagen, eine Photovoltaikanlage auf den Stalldächern, und die Stellplätze für zwei Windräder sind an andere Unternehmen verpachtet.

In Kötzschen ist kein Einwohner mehr in der Landwirtschaft tätig.

Bis zum Jahr 2005 gab es in Kötzschen 48 Handwerksbetriebe und Kleinstunternehmen, aber keine Großbetriebe.

Die Stadt Merseburg hat seit 1990 etwa 20% seiner Einwohner verloren. Dieser Trend ist in Kötzschen nicht erkennbar. Im Gegenteil, bis 1989 verringerte sich in dem von belastenden Umwelteinflüssen geplagten Stadtteil die Einwohnerzahl auf etwa 1200. Seitdem gibt es in dem noch ländlich geprägten Stadtteil viele neue Einfamilienhäuser oder sanierte Gebäude. Es leben immer noch 1223 Einwohner (Stand 2012) im ehemaligen Kötzschen. Nur die wenigen Neubaublöcke gegenüber dem Friedhof wurden abgerissen.

 Seit etwa dem Jahr 2000 ist der gesamte Stadtteil sogar an das Trinkwassernetz und die Abwasserentsorgung angeschlossen.

Nur das Straßennetz ist noch eine Katastrophe. Am schlimmsten für die Einwohner in Kötzschen ist die Straße des Friedens bzw. Naumburger Straße zwischen der B 91 und der Autobahn 38. Über 12000 Fahrzeuge benutzen und verpesten täglich diesen Stadtteil. Die dafür bereits geplante Umgehungstrasse L 178n südlich des Ortes scheint wieder in die Ferne gerückt zu sein. Wir Kötzschner Einwohner brauchen diese Straße zur Entlastung in unserer Ortslage !!!